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Gesucht! Werbetechnik-Fachleute

Kennen Sie die Situation, in der Fachkräfte für qualifizierte oder gar anspruchsvolle Projekte fehlen? Oder diejenige, in der Sie eine Nachfolge suchen? Was nun? Ein Versuch einer Analyse. 

Florian TannerLaut einer 2017 veröffentlichten Studie der Credit Suisse sind rund 90 000 KMU akut vom Fachkräftemangel betroffen. Qualifizierte Fachkräfte sind eine wichtige Stütze für den wirtschaftlichen Aufschwung der KMU. Die weit ver­breitete Strategie zur Deckung des Fachkräftemangels ist die betriebs­interne Aus- und Weiterbildung.

Wird zu wenig in die Weiterbildung investiert? Wie hoch ist die Quote jener, welche nach der Basisausbildung in eine Weiterbildung investieren? Für diese Fragen gibt es keine fundierten Erhebungen, die eine verbindliche Aussage ermöglichen würden. Einzig ein Gefühl für die Situation ist vorhanden. Wird die Branche nach der Basisausbildung verlassen, um sich vermeintlich attraktiveren Branchen zuzuwenden? Aussagen von Unternehmern, wonach «die Jungen» zu wenig qualifiziert sind, sollten mit Vorsicht gewertet werden. Das Berufsfeld des Werbetechnikers ist sehr attraktiv und besitzt eine grosse Vielfalt. Kreatives und abwechslungsreiches Arbeiten ist kombiniert mit breiten fachlichen Anforderungen. Es ist eine Kombination digitaler und handwerklicher Produktionstechniken, Beschichtungs- und Ausrüstungstätigkeiten sowie körperlich anstrengender Montagearbeiten. Die Arbeit im Atelier und draussen ist ebenso gegensätzlich wie die gestalterisch einfache Datenaufbereitung anstelle von komplexen grafischen Konzepten, spezielle Applikationstechniken gegenüber repetitiven Grossauflagen in der Produktion und Ausrüstung oder gar die Beschichtung einer Glasfläche verglichen mit der Montage einer grossen Leuchtreklame.

Im derzeit dynamischen Marktumfeld ist es ein Fakt, dass die jungen Berufsleute im Alltag gefordert werden und es ist nicht verwunderlich, dass meist die Erfahrung fehlt! Dies hat verschiedene Ursachen. Die Ausbildung konnte die Vielfalt nicht vermitteln, obwohl im Bildungsplan die Leistungsziele klar definiert sind. Nach der Lehre sind Profis, die mit jeder Herausforderung umgehen können, Wunschdenken. Die fehlende Erfahrung und Routine oder die zum Lehrbetrieb anders gelagerten Tätigkeiten beim neuen Arbeitgeber ergeben teilweise zu grosse Anforderungen an die jungen Berufsleute.

Der Nachwuchs

Jedes Jahr schliessen in der Deutschschweiz etwa 110 bis 130 Lernende die Ausbildung ab. Angenommen, es gebe etwa 500 Fachbetriebe mit einer durchschnittlichen Firmengrösse von bis zu acht Angestellten, wovon mindestens drei eine Ausbildung als Gestalter/in Werbetechnik EFZ besitzen, dann würde heute ein Potenzial von geschätzten 1500 Fachleuten in den Betrieben arbeiten und geschätzte acht Prozent neue Fachkräfte würden pro Jahr den Nachwuchs sicherstellen. Dies ist aber nicht der Fall.

Bekannt ist die Abwanderung aus dem Berufsfeld Werbetechnik. Woran das liegt und wie gross die Quote ist, wird allerdings nicht empirisch erhoben. Vermutlich liegt es an den fehlenden Perspektiven für die persönliche Entwicklung und/oder am zu tiefen Einkommen.

Das Einkommen

Qualifizierte Fachkräfte erhalten ein Gehalt von geschätzten 3700 bis 5500 Franken. Dies gilt für Angestellte ohne Kaderfunktionen bei einem Vollzeitpensum nach vier Jahren Lehre sowie einer Zahlung von dreizehn Monatslöhnen. Die Lohnempfehlungen des Verbands Werbetechnik und Print (VWP) sind auf die verschiedenen Qualifikationsniveaus und nach der Dauer der Anstellung abgestuft. Der 13. Monatslohn ist nicht verbindlich, denn unsere Branche hat keinen Gesamtarbeitsvertrag (GAV). Die Einkommen variieren deutlich – abhängig von den Bedingungen wie Arbeitsbereich, Arbeitszeiten, Sozialleistungen, Regionen und dergleichen. Eine höhere Qualifikation wirkt sich für Fachkräfte mit Kaderfunktion ebenfalls markant auf das Einkommen aus und gleicht die Auslagen für die Weiterbildung innerhalb von zwei bis drei Jahren aus.

Fehlende Perspektiven

Die Organisation einer repräsentativen Werbetechnikfirma besteht oft aus der Geschäftsleitung, eventuell einer Person in der Administration, zwei bis drei Fachleuten und ein bis zwei Lernenden. In kleineren Betrieben wird die Finanz- und Betriebsbuchhaltung oft an externe Dienstleister ausgelagert. Dadurch hat die Geschäftsleitung die Kapazität für die Mitarbeit im Betrieb. Nur in Betrieben mit einer höheren Anzahl Angestellten ist neben dem «Chef» der Platz für die Funktion von Atelier- oder Projektleitern oder gar einer Betriebsleitung angezeigt. Das heisst, in KMU-Betrieben, die meist inhabergeführt sind, ist die Chance verschwindend klein, innert nützlicher Frist entsprechende Führungsverantwortung übernehmen zu können. Die Perspektiven für aufstrebende Fachleute mit dem Willen, in einer führenden Funktion mehr zu leisten sowie ein höheres Einkommen zu erzielen, sind nur bedingt vorhanden. Wer Karriere machen will, muss sich anderweitig orientieren oder selbstständig werden. Doch die junge Generation will nicht unbedingt selbstständig werden. Sie will geregelte Arbeitszeiten oder je nach Lebenssituation Teilzeit oder sogar in einem Jobsharing arbeiten.

Fachleute fördern

Natürlich werden Ein- bis Zwei-Tages-Kurse für neue Techniken besucht. Aber die Anforderungen liegen in den Strukturen der Firmen. Um wettbewerbsfähig zu sein, ist ein Werbetechnik-Betrieb gefordert, die neuesten Technologien einzusetzen. Der Investitionsbedarf ist im Verhältnis zur Betriebsgrösse oft zu hoch und die Rückfinanzierung fast nicht erreichbar. Weiter müsste das Verhältnis der Produktivität des Personals zur Leistungsfähigkeit der Maschinen optimiert werden. Dazu müssten sich die Betriebe qualitativ wie quantitativ erweitern, was jedoch wie eingangs beschrieben nicht ganz so einfach ist. Der Ausbau muss zudem mit eigenen Mitteln getätigt werden, denn eine Finanzierung über eine Bank ist sehr restriktiv.

Wer nicht ausreichendes Eigenkapital besitzt oder einen überdurchschnittlichen Cashflow ausweist, könnte als Alternative einen Zusammenschluss erwägen. Die Vorteile beider Varianten sind eine bessere Auslastung des Maschinenparks, eine optimierte Personalplanung und eine Führungsstruktur mit zweckentsprechenden Qualifikationen. Ausserdem ermöglicht die gewonnene Leistungsfähigkeit eine effiziente Produktion und einen höheren Kundennutzen. Zusammen mit dem erweiterten Marketing und eventuell sogar einem Aussendienst lassen sich vielerorts Synergien nutzen.

Bei Betriebszusammenschlüssen besteht vielfach die Chance, die Nachfolgeregelung einfacher in den Griff zu bekommen, da ja meist zwei Managementstrukturen zusammenkommen, aus welchen eine erfolgreiche Nachfolgeregelung einfacher zu bewerkstelligen ist.

Vielleicht ist es nur eine Utopie, aber sicher kein Szenario für verwegene Finanzjongleure oder Husaren. Unter den beschriebenen Bedingungen ist die Förderung des Nachwuchses besser vorstellbar. Ein Gedanke, der zum Ziel hat, den Fachleuten aufzuzeigen, wie ihre Zukunft aussehen könnte und der den aktiven Inhabern eine Perspektive für Ihre Nachfolge gibt. Um diese Gedanken in realistische Szenarien ummünzen zu können, ist es aber unabdingbar, der Weiterbildung auf beiden Seiten, bei den Arbeitnehmern wie auch den Arbeitgebern, einen viel höheren Stellenwert einzuräumen.

Qualifikationsanforderungen

Auch wenn die junge Generation von der Work-Life-Balance schwärmt, für eine führende Aufgabe im Betrieb braucht es eine solide Grundausbildung, ausreichend Erfahrung sowie die stufengerechte Weiterbildung und viel Engagement. Der VWP hat die Strukturen für die Bildung geschaffen und wird neue Angebote umsetzen. Nach der Lehre wird ein Lehrgang der neuen Berufsprüfungen (Ziel ab 2020) die Fachkompetenzen vertiefen und erweitern. Das ist ideal für Fachkräfte, die anspruchsvolle Projekte bearbeiten oder Fachkompetenzen in Schwerpunktthemen ausweisen können. Durch die berufsbegleitenden Ausbildungsgänge wird die Weiterbildung mit der Berufserfahrung verknüpft und das Netzwerk wird ausgebaut. Dies wiederum ist eine solide Basis für die Aufgaben eines Berufsbildners oder einer Projektleiterin.

Die Suche nach einer Fachkraft in der Funktion des Atelier- oder Betriebsleiters oder der Geschäftsführerin ist sehr anspruchsvoll. Gleiches gilt bei der Übernahme einer Firma. Die Kandidatin oder der Kandidat sollten für diese Herausforderung bestens vorbereitet sein. Der Abschluss als Werbetechniker/in ED erfüllt diesen Anspruch, denn ergänzend zu den Fachkompetenzen sind damit auch die Managementkompetenzen für die Aspekte der Personalführung, Kenntnisse für Marketing, Kostenrechnung, Finanzbuchhaltung und weitere Fähigkeiten vorhanden, um die Firma ziel­gerichtet und marktgerecht, auch in Zukunft leiten zu können. Die Angaben für den Ausbildungsgang finden Sie unter www.sfgz.ch/werbetechnik.

Fazit

Bleiben Sie klein und flexibel oder wollen Sie eine grosse und starke Firma? Welchen Weg Sie einschlagen, liegt in der Verantwortung des Betriebsleiters oder des Inhabers. Die aufgezeigten Möglichkeiten dienen vorwiegend der Reflexion. Der tatsächlichen Situation des latenten Fachkräftemangels ist aber unverzüglich entgegenzuwirken.

Die Verantwortung für die Förderung des Nachwuchses nehmen viele Betriebe mit der Grundausbildung zum Gestalter/in Werbetechnik EFZ oder einer allfälligen EBA wahr. Die Zuständigkeit für die Ausbildung von Führungskräften wird derzeit jedoch zu wenig gefördert. Seit 2009 haben etwa 1200 Gestalter/innen Werbetechnik EFZ die Lehre abgeschlossen. Zusammen mit den im Beruf arbeitenden 1500 Fachkräften ergibt dies ein Potenzial von geschätzten 2700 Berufsleuten. In den drei Ausbildungsgängen für die Höhere Fachprüfung konnten gut 65 Absolventinnen und Absolventen das Diplom als Werbetechniker/in ED entgegennehmen. Selbst wenn man eine Abwanderung nach der Lehre berücksichtigt, liegt die Quote der Weiterbildung nur bei geschätzten drei Prozent. Die gesuchten Projektleiter, Lehrlingsausbildnerinnen, Betriebsleiter, Nachfolgerinnen oder Käufer müssen durch Sie gefördert werden. Stärken Sie den Nachwuchs, damit dieser die Zukunft in Ihrem und in seinem Sinne gestalten kann.

So liegt es in der Verantwortung aller Inhaber und Geschäftsleiterinnen, die Strukturen der Firma und die Verfügbarkeit von Fachkräften weiter zu entwickeln. Schaffen Sie attraktive Arbeitsplätze, die eine Weiterbildung voraussetzen oder solche, die es zulassen, sich begleitend zum Job weiterzubilden. Damit schaffen Sie Potenzial, um die Zukunft einer attraktiven Branche zu sichern. ↑

Florian Tanner ist Inhaber der Tanner Werbetechnik AG, Berufschullehrer, Leiter des Ausbildungsgangs zur Höheren Fachprüfung für Werbetechniker und Präsident des Verbands Werbetechnik+Print.